In mehreren Bundesländern ist die Zahl der gemeldeten Angriffe auf Einsatz- und Rettungskräfte weiter gestiegen. Innenminister prangern ein immer raueres Klima an – und fehlenden Respekt.
Beispiel Niedersachsen: Hier zeichnet sich für 2024 ein weiterer Anstieg der Fallzahlen im Vergleich zum Vorjahr ab, wie das Innenministerium mitteilt. Vor allem Polizeibeamte wurden demnach Opfer. 2023 wurden nach Angaben des Ministeriums in Hannover 4.467 Gewaltdelikte gegen Einsatzkräfte verzeichnet, binnen sechs Jahren stieg die registrierte Gewaltkriminalität gegen Einsatzkräfte um rund 40 Prozent.
Als die häufigsten Gewaltdelikte gegen Einsatzkräfte listet das niedersächsische Landeskriminalamt (LKA) Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und tätliche Angriffe auf, gefolgt von Bedrohungen.
Auch in Schleswig-Holstein werden laut Statistik immer mehr Einsatzkräfte selbst zum Ziel. Die Zahl der Widerstände oder tätlichen Angriffe stieg 2024 mit Stichtag 31. Oktober an – und zwar um eine Prozentzahl im unteren zweistelligen Bereich, wie eine LKA-Sprecherin der Deutschen Presse-Agentur sagte.
«Wird dort draußen immer rauer»
Ebenfalls mehr Attacken sind die Einsatzkräfte der Polizei in Rheinland-Pfalz ausgesetzt. Die Zahl der Widerstandsdelikte mit tätlichem Angriff ging im ersten Halbjahr um fast 13 Prozent nach oben, wie das Innenministerium auf dpa-Anfrage mitteilte.
In Nordrhein-Westfalen nahm die Zahl der Gewalttaten gegen Polizisten 2023 im Vergleich zum Vorjahr stark zu (plus 19 Prozent), die Zahl lag bei 9.829 Fällen. Das geht aus dem am Freitag veröffentlichten neuen LKA-Lagebild «Gewalt gegen Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamte» hervor. Belastbare Zahlen für das Jahr 2024 liegen bisher nicht vor.
«2023 sind jeden Tag durchschnittlich 65 Polizistinnen und Polizisten in NRW Opfer von Gewalt geworden», sagte Innenminister Herbert Reul (CDU) der dpa. «Das sind erschütternde Zahlen, die zeigen, dass es dort draußen immer rauer wird und der Respekt bei ganz vielen auf der Strecke geblieben ist.»
Hunderte Angriffe auf Polizisten auch in Sachsen: Im ersten Halbjahr wurden 935 Beamte attackiert, 252 wurden verletzt – 30 davon durch Bisse, wie das Innenministerium mitteilt. Die Zahlen fürs zweite Halbjahr sollen im kommenden Jahr erhoben werden. Im gesamten Vorjahr war es zu 1.943 Angriffen gekommen.
Mindestfreiheitsstrafe als Gegenmaßnahme?
Höhere Strafen fordert der hessische Innenminister Roman Poseck (CDU). Er setze sich dafür ein, «dass das Mindeststrafmaß bei tätlichen Angriffen auf Einsatzkräfte von den bisherigen drei auf sechs Monate erhöht wird». Bloße Geldstrafen seien dann nicht mehr möglich. Würden Kräfte in einen Hinterhalt gelockt, sollte sogar eine Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr gelten.
In Hessen bewegen sich die Fallzahlen bei Angriffen auf Einsatz- und Rettungskräfte 2024 nach Einschätzung des Ministeriums auf Vorjahresniveau. 2023 waren knapp 2.600 Fälle registriert worden, unter den Opfern waren mehr als 5.000 Polizisten, 171 Rettungskräfte und 24 Feuerwehrleute. Es sei unerträglich, dass Einsatzkräfte immer wieder und immer häufiger attackiert würden, sagte Poseck. Im Jahr 2020 waren noch 2.120 Fälle registriert worden.
Ministerin: Jeder zweite Verdächtige war alkoholisiert
Ein positiver Trend dagegen in Hamburg: Zwar wurden in diesem Jahr wieder hunderte Polizisten in der Hansestadt während ihrer Dienstzeit angegriffen. Bis September seien fast 900 Fälle erfasst worden, sagte ein Polizeisprecher der dpa. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum seien die Zahlen aber gesunken: In den ersten neun Monaten 2023 waren noch 49 Fälle mehr gemeldet worden.
Bis Ende Oktober wurden in Sachsen-Anhalt 200 Angriffe auf Polizei- und Rettungskräfte weniger als im Vorjahreszeitraum erfasst, wie das LKA in Magdeburg sagte. Von Januar bis Oktober 2023 waren noch 1.137 Fälle in die Statistik eingeflossen.
Bundesweit erreichten die registrierten Gewalttaten gegen Einsatzkräfte dem Bundeskriminalamt zufolge im Jahr 2023 einen neuen Höchststand. Insbesondere Alkohol verstärke diese Entwicklung, sagte Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens: Bei rund der Hälfte der Verdächtigen in Niedersachsen etwa wurde 2023 eine Alkoholisierung festgestellt.
Quelle: dpa