Pup Play wurde in den letzten Jahren zu einem sichtbareren Phänomen, wie hier bei dem Christopher Street Day in Wernigerode., © Matthias Bein/dpa

Auf den Hund gekommen: das Phänomen «Pup Play»

Ihr Hobby? Hund spielen. Sogenannte Puppies (oder Puppys) – benannt nach dem englischen «pup»/«puppy» für Hundewelpe – wissen, dass viele über ihre Vorliebe kichern. Einige zeigen sich auch empört, das sei doch pervers. Auch diesen Sommer sind wieder meist jüngere Männer mit Leder- oder Neopren-Hundemaske etwa bei Christopher Street Days zu sehen. Was hat es damit auf sich? Zeit für eine Annäherung an ein Phänomen, das auch schon Polizei und Politik auf den Plan gerufen hat.

Pup Play ist ein Rollenspiel. In den letzten Jahren wurde es zu einem sichtbareren Phänomen – etwa in sozialen Netzwerken und bei queeren Paraden und Festen. Human Pup Play kommt jedoch inzwischen meist entsexualisiert daher und buhlt (besser vielleicht: bellt) um Anerkennung und Inklusion in der queeren Szene und Gesellschaft.

Hund spielen als Hobby

«Beim Hobby Pup Play geht es darum, sich in die Rolle eines Hunds hineinzuversetzen und dessen Verhalten zu imitieren», sagt Ethnologe Konstantin Mack, der zu dem Thema an der Uni Würzburg seine Masterarbeit schrieb («Hund müsste man sein – Kulturanthropologische Perspektiven auf Pup Play»). «Ganz platt formuliert: Es sind Erwachsene, die in ihrer Freizeit Spaß daran haben, auf allen Vieren einem Ball hinterherzujagen.»

Charakteristisch für viele Pup Player sind Masken, Halsbänder, Leinen, die das Einfühlen in die Hunde-Rolle erleichtern sollen. Ein Reiz liege darin, einen eigenen Hunde-Charakter zu entwerfen – mit individueller Persönlichkeit und passenden Accessoires. «In Deutschland wurden vor rund sechs Jahren die ersten Vereine gegründet beziehungsweise regelmäßige Veranstaltungen ins Leben gerufen, seither ist die Szene zunehmend im Wachstum», sagt Mack, der jetzt Doktorand am Institut für Europäische Ethnologie der Universität Wien ist.

«Ein fast meditativer Zustand»

Zentral fürs Pup Play sei der sogenannte Headspace, erklärt Mack. «Damit beschreiben Puppies ihr Gefühl, wenn sie gänzlich in ihrer Rolle aufgehen. Für viele ist es ein fast meditativer Zustand, weil ihr Denken und Handeln nur noch darauf ausgerichtet ist, was Welpen gerne tun.» Dazu gehörten Spielen, Bälle jagen, knurren, sich kraulen lassen, Herrchen oder Frauchen ärgern. Alltagssorgen blende man während des Spiels aus.

Die Community in Deutschland schätzt Mack auf eine hohe vierstellige Zahl an Leuten, inklusive Österreich liege sie «sicherlich» im fünfstelligen Bereich. In den meisten mittelgroßen Städten und Großstädten im deutschsprachigen Raum gebe es regelmäßig Stammtische, wobei daran erfahrungsgemäß meist nur ein Bruchteil der praktizierenden Leute teilnehme. Viele lebten dieses Hobby auch einfach nur für sich aus oder primär online.

Die Geschichte

Historisch geht das Pup Play, wie Mack erklärt, auf die 1940er und 1950er Jahre zurück, als sich in der queeren Community Amerikas die Leder-Szene entwickelt hat. Damals kamen Rollenspiele zwischen (menschlichem) Hund und dem «Handler» genannten Herrchen auf. Das war oft mit sadomasochistischem Sex verbunden.

«Über die Jahrzehnte hinweg verlagerte sich das, sodass die spielerische Freude, sich in das Verhalten eines Hundewelpen hineinzuversetzen, immer mehr an Bedeutung gewann», sagt Mack. Bis heute seien die meisten Puppies Schwule. Das lasse sich wohl mit der historischen Verbindung zur Leder-, Lack- und Latex-Szene erklären. Doch grundsätzlich sei Pup Play nicht an Geschlecht oder sexuelle Orientierung gebunden. Puppies könnten männlich, weiblich, non-binär, schwul, lesbisch, bi, hetero oder auch asexuell sein.

Wie sexuell konnotiert ist Pup Play?

Hat das Ganze heute noch viel mit Sex zu tun? Mack sagt: «Das reine Rollenspiel, also Aktivitäten mit anderen Puppies, ist für die große Mehrheit eine rein soziale Handlung – ein Hobby, wie Theaterspielen oder Schwimmen. Eine Verkürzung des Pup Play auf sexuelle Handlungen wird der Komplexität der Szene nicht gerecht, im Vordergrund steht der soziale Aspekt und das gemeinsame Spiel.» Es gehe darum, sich auszuleben, Neues zu entdecken, gesellschaftliche Normen zu hinterfragen und Gleichgesinnte kennenzulernen.

Gerade das findet ein früher Dogplayer merkwürdig. «Mich stört, dass das heute so brav verkauft wird», sagt Thomas (44) aus Berlin (Hundename: Gary). «Das Hundespiel ist zu einer Art Vereinsmeierei geworden – mit einheitlichen und oft auch viel zu teuren Masken. Anstatt das stolz als befreite Sexualität und versauten Kink zu benennen.»

Puppies und die Polizei

Das Trendphänomen sorgte auch schon für Ärger. Im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen zum Beispiel ging es im Sommer letztes Jahr sogar im Landtag um die Frage, ob Pup-Play-Masken beim Christopher Street Day ein Ausdruck freier Persönlichkeitsentfaltung oder verbotene Vermummung seien (das träfe zu, wenn Träger damit ihre Identitätsfeststellung zum Zwecke etwa der Strafverfolgung verhindern wollten).

Die schwarz-grüne Landesregierung stellte in einer Antwort auf eine Anfrage der SPD klar, dies sei stets im Einzelfall zu prüfen. Wenn Maskierungen nicht durch Strafnormen oder das Versammlungsrecht verboten seien, dürfe man auch maskiert an einer Demo teilnehmen.

Es gebe kein Verbot von Fetisch-Masken «aus ästhetischen, politischen oder moralischen Gesichtspunkten». Anlass der Anfrage war ein Masken-Verbot durch die Polizei beim CSD in Recklinghausen gewesen sowie ähnliche Vorfälle 2019 in Aachen und 2018 in Essen.

Quelle: dpa