Der Koalitionsvertrag von CDU, BSW und SPD in Thüringen steht – die möglicherweise erste Brombeer-Koalition in Deutschland wird damit immer wahrscheinlicher. Gut elf Wochen nach der Landtagswahl verständigten sich die Spitzen der drei Parteien auf den Entwurf des Regierungsvertrags. Bis Donnerstag würden noch Feinarbeiten erledigt, hieß es nach einer zweitägigen Klausur aus den Verhandlungsteams. Der Koalitionsvertrag solle an diesem Freitag vorgestellt werden.
«Ja, es wird eine neue Regierung geben», sagte einer der Verhandler der dpa. Andere sprachen von einem «zukunftsweisenden Konsens», der erreicht worden sei. Im Nachbarland Sachsen waren Verhandlungen von CDU und SPD mit dem BSW gescheitert.
CDU, BSW und SPD haben im Thüringer Parlament 44 von 88 Sitzen. Eine nach den Parteifarben benannte Brombeer-Koalition wäre damit bei Entscheidungen auf mindestens eine Stimme der Opposition – also von Linke oder AfD – angewiesen. Die AfD stellt die größte Fraktion im Parlament.
Parteitage und Mitgliederbefragung folgen
In Thüringen fehlt vor einer Mitte Dezember angepeilten möglichen Wahl von CDU-Chef Mario Voigt zum Ministerpräsidenten noch die Zustimmung der Parteigremien aller drei Partner. Das BSW hat bereits einen Parteitag für den 7. Dezember angekündigt, bei dem es um die Zustimmung der Mitglieder zum Koalitionsvertrag geht. Anders als beim Sondierungspapier kamen von Parteigründerin Sahra Wagenknecht diesmal positive Signale zum geplanten Thüringer Koalitionsvertrag. Die SPD plant eine Mitgliederbefragung. Bei der CDU muss der Landesausschuss, eine Art kleiner Parteitag, zustimmen.
Beeinflusst wurden die bisherigen Verhandlungen in Thüringen durch friedenspolitische Forderungen Wagenknechts. Die Namensgeberin des BSW zeigte sich nun zufrieden mit der Entwicklung der Gespräche. «Der Koalitionsvertrag trägt sowohl bei landespolitischen Themen als auch in außenpolitischen Fragen deutlich stärker die Handschrift des BSW als das vorangegangene Sondierungspapier», sagte Wagenknecht der dpa.
Wagenknecht sieht Verbesserungen
«Dank der Kritik und des Drucks aus der Thüringer BSW-Basis und der Bundespartei konnten unsere Verhandlungsführer wesentlich mehr erreichen, weil den anderen Parteien klar wurde: Das BSW wird sich nur an einer Regierung beteiligen, die spürbare Veränderungen und Verbesserungen für die Menschen in Thüringen bringt und sich auch zur Frage von Krieg und Frieden positioniert», so die BSW-Gründerin. Auch beim BSW in Thüringen hieß es, strittige Punkte seien ausgeräumt, es gebe keinen Dissens zwischen Erfurt und Berlin mehr.
Die drei Parteien hatten sich auf eine Präambel zum Koalitionsvertrag verständigt, die das Thema Krieg und Frieden aufgreift, Wagenknecht aber zunächst nicht zufriedenstellte. Das BSW wollte nachjustieren. Nun hieß es, die friedenspolitischen Positionen des BSW würden auch im Text eine Rolle spielen. Es habe Präzisierungen gegeben.
Zu genauen Inhalten wollten sich Vertreter der drei Parteien vor dem Freitag nicht äußern. «Wir wären nicht aus den Verhandlungen gegangen, wenn wir nicht viel erreicht hätten», so ein BSW-Vertreter. Insgesamt seien 110 Seiten Papier bei der Klausur durchgegangen worden.
Projekte und gemeinsame Ziele festgeschrieben
Der Koalitionsvertrag sieht nach Angaben der Beteiligten konkrete Projekte und Ziele in den Bereichen Bildung, Gesundheit, Wirtschaft, Migration, Verwaltungsmodernisierung, Soziales und kommunale Entwicklung vor. «Uns ist ein guter Aufbruch gelungen, der das Leben der Thüringer spürbar verbessern wird», erklärten die Partner nur. Die Gespräche seien zielstrebig und pragmatisch verlaufen. Alle Beteiligten hätten gezeigt, «dass sie über parteipolitische Grenzen hinweg im Interesse des Landes handeln».
Regierungszuschnitt noch nicht geklärt
Bei der zweitägigen Klausur am Montag und Dienstag soll auch der Zuschnitt der Ministerien zur Sprache gekommen sein. Derzeit hat Thüringen neben dem Ministerpräsidenten acht Fachministerien sowie einen Staatskanzleichef im Ministerrang. Der Ressortzuschnitt sei noch nicht abschließend besprochen, hieß es aus Verhandlungskreisen. Wahrscheinlich bleibe es aber bei der bisherigen Zahl der Ministerien.
Ramelow für Fairnessabkommen
Thüringens geschäftsführender Ministerpräsident Bodo Ramelow, der für den Bundestag kandidieren will, verlangte erneut ein Fairnessabkommen der möglichen Koalitionäre mit seiner Linken, um «destruktive Mehrheitsentscheidungen» auszuschließen. «Das Destruktive dürfen wir nicht der AfD überlassen», sagte Ramelow. Die Linke sei aber keine «Reservetaschenhilfsoperation».
Quelle: dpa