Von der Leyen kann sich freuen: Ihre Kommission wurde bestätigt., © Philipp von Ditfurth/dpa

EU-Parlament gibt grünes Licht für von der Leyens Kommission

Knapp sechs Monate nach der Europawahl kann die neue EU-Kommission unter der Führung von Ursula von der Leyen die Arbeit aufnehmen. Das Europäische Parlament votierte mit 370 von 688 abgegebenen Stimmen in Straßburg für das Team, das neben der Deutschen aus 10 Frauen und 16 Männern besteht. 282 Abgeordnete stimmten dagegen, 36 enthielten sich. Damit holte von der Leyens Kommission zwar deutlich mehr Stimmen als nötig, allerdings war das Ergebnis schlechter als bei allen anderen Kommissionen in den vergangenen knapp 30 Jahren.

Dies war unter anderem dem Rechtsruck im Parlament seit der vergangenen Wahl geschuldet. Die extreme Rechte etwa votierte geschlossen gegen von der Leyens Kommission. 

Außerdem hatte von der Leyen Teile des Parlaments mit der Nominierung bestimmter Kommissare verprellt, sodass am Ende nur die liberale Fraktion im Parlament geschlossen für sie stimmte. Auch innerhalb des Mitte-Rechts-Bündnisses EVP, zu dem von der Leyens CDU gehört, votierten einige Abgeordnete gegen das Kommissionsteam. Die deutsche SPD zum Beispiel enthielt sich der Abstimmung größtenteils, auch einige Grüne wählten die Kommission nicht. Sie begründeten das damit, dass von der Leyen den rechten Italiener Raffaele Fitto zu einem der Vizepräsidenten ernannt hatte.

Gleichwohl kann die Kommission nun wie geplant im Dezember starten. Für die künftige EU-Politik war dieser Schritt entscheidend: Als einzige Institution der Europäischen Union kann die Kommission Gesetze für die Staatengemeinschaft vorschlagen. Außerdem überwacht sie die Einhaltung des EU-Rechts.

Wettbewerb, Autos, Start-ups: Neue Themen für neue Kommission

War bei von der Leyens erstem Amtsantritt 2019 die Klimakrise eines der treibenden Themen, rücken nun andere Probleme in den Fokus. Als eine ihrer Prioritäten für die nächsten fünf Jahre nannte von der Leyen den Kampf um das Überleben der Autoindustrie in Europa. Dazu soll es zunächst unter ihrer Leitung einen strategischen Dialog geben. «Die europäische Automobilindustrie ist ein Stolz Europas. Millionen von Arbeitsplätzen hängen von ihr ab.» Gemeinsam müsse man sicherstellen, dass die Zukunft des Autos weiterhin in Europa gestaltet werde.

Dies dürfte besonders relevant sein für den schwelenden Handelskonflikt mit China, den der neue Handelskommissar Maros Sefcovic lösen muss: Die EU wirft Peking Wettbewerbsverzerrung durch Subventionen vor und beschloss im vergangenen Monat Extrazölle auf chinesische E-Autos. China prüft derzeit Gegenmaßnahmen, von denen auch deutsche Autobauer betroffen sein könnten. Ein weiteres Riesenthema könnten neue US-Zölle werden, die der designierte Präsident Donald Trump einführen will.

Zudem kündigte von der Leyen eine Strategie für mehr Wettbewerbsfähigkeit an. «Ein Start-up aus Kalifornien kann expandieren und in den gesamten Vereinigten Staaten Kapital aufnehmen. Aber ein Start-up in Europa muss mit 27 verschiedenen nationalen Hürden umgehen», kritisierte von der Leyen. Es müsse einfacher gemacht werden, in Europa zu wachsen. Dazu sollen auch weitere Initiativen für niedrigere Energiepreise dienen.

Erstmals Verteidigungskommissar

Ein Zeichen für ihre veränderten Schwerpunkte setzte von der Leyen bereits vor der Abstimmung mit der Schaffung des neuen Postens des Verteidigungskommissars. Litauens Ex-Ministerpräsident Andrius Kubilius soll künftig dafür sorgen, dass Europa militärisch unabhängiger wird und leichter in europäische Rüstungsprojekte investiert werden kann. 

Von der Leyen warb angesichts des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine um höhere Verteidigungsausgaben der EU-Staaten. «Russland gibt bis zu neun Prozent seines Bruttoinlandsprodukts für die Verteidigung aus. Europa gibt im Durchschnitt 1,9 Prozent aus. Da stimmt etwas nicht in dieser Gleichung», sagte die CDU-Politikerin. Dass die Unterstützung der kriegsgebeutelten Ukraine nicht nachlässt, liegt nun auch in den Händen von Kaja Kallas. Die Estin wird neue Chefdiplomatin der Europäischen Union.

Von der Leyens Nominierungen sorgten für großen Streit

Die Abstimmung erfolgte knapp sechs Monate nach der Europawahl, bei der von der Leyens Mitte-Rechts-Bündnis EVP die meisten Stimmen bekam. Sie wurde daraufhin im Juli für ihre zweite Amtszeit als EU-Kommissionspräsidentin bestätigt und hatte ihr Wunschteam im September vorgestellt. 

Für besonderes Aufsehen sorgte die Nominierung des Italieners Fitto, der künftig unter anderem für Reformen und den Fördertopf für regionale Entwicklung zuständig sein soll. Zwar gilt der Rechtspolitiker vielen in Brüssel als politisch gemäßigt und proeuropäisch. Die Sozialdemokraten im Parlament wehrten sich aber heftig dagegen, dass ein rechter Politiker aus der Regierung von Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni eine herausgehobene Position wie die des Vizepräsidenten bekommt.

Im Gegenzug blockierte die EVP, dem auch CDU und CSU angehören, zunächst die Berufung der Sozialistin Teresa Ribera als Kommissarin für Wettbewerbspolitik und grünen Wandel. Konservative und rechte Abgeordnete werfen der bisherigen spanischen Umweltministerin Versagen bei den schweren Überschwemmungen in der Region Valencia vor. Umstritten war auch der Ungar Oliver Varhelyi, der wegen seiner Loyalität gegenüber dem autoritär regierenden ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban in der Kritik stand. Letztlich einigten sich die großen Fraktionen im Parlament nach langen Verhandlungen jedoch, sodass Fitto, Ribera und Varhelyi nun ihr Amt antreten können. 

Politiker der extremen Rechten votierten gegen die Kommission von Ursula von der Leyen. Die deutsche AfD-Abgeordnete und parlamentarische Geschäftsführerin der ESN-Fraktion, Christine Anderson, etwa beschimpfte das Team ohne Angabe konkreter Gründe als «reinste Trümmertruppe». 

Der österreichische FPÖ-Politiker Harald Vilimsky warf ihr – ebenfalls ohne konkrete Belege – vor, für Massenmigration, Freiheitsentzug, Kriegstreiberei und Deindustrialisierung zu stehen. Zudem kritisierte er die Größe der Kommission als aufgeblasen. «Sie hätten Geld sparen können, Sie hätten deregulieren können, Sie hätten Ihre Kommissare mit irgendwelchen Orchideenreferaten hier weglassen können und dieses Geld für europäische Bürger verwenden können», sagte er in Richtung von Ursula von der Leyen.

Quelle: dpa