Sie sind Antipoden im Profifußball – und doch verbindet den FC St. Pauli und den FC Bayern München seit mehr als 20 Jahre eine enge Freundschaft. Dreizehneinhalb Jahre nach einem 1:8 der Hamburger gegen die Bayern treffen sich die beiden ungleichen Vereine am Samstag (15.30 Uhr/Sky) in der Bundesliga wieder – und erfüllen damit Bayern-Ehrenpräsident Uli Hoeneß einen Wunsch.«Ich wünsche dem FC St. Pauli, dass wir, solange ich noch alle sieben Sinne beieinander habe, dass wir gemeinsam in derselben Liga spielen», hatte der heute 72-Jährige im Februar 2023 im St. Pauli-Podcasts «Don’t call it a Kultclub» gesagt und erzählt, dass er bei Spielen des FC St. Pauli mitfiebere.
Vom Klassenfeind zum Retter
In den 80er-Jahren waren die Bayern und Hoeneß die großen Reizfiguren der zumeist linken St. Pauli-Anhängerschaft. Doch als es dem Verein aus Hamburg wirtschaftlich schlecht ging, half der damalige Manager Hoeneß sofort.
Er organisierte im Juli 2003 gemeinsam mit dem FC St. Pauli ein Freundschaftsspiel der Bayern am Millerntor gegen den damaligen Drittligisten und beließ alle Einnahmen von 200.000 Euro bei den Hamburgern. In Erinnerung ist, wie er ein «Retter»-T-Shirt des FC St. Pauli vor dem Anpfiff überstreifte und durch das Stadion ging. Der Beginn einer Freundschaft.
In diesem Sommer ist der Verein wieder in der Bundesliga angekommen. Dass der FC Bayern an einem Wochenende ans Millerntor kommt, wenn der Kiezclub eine Revolution ausruft, fällt wohl in die Kategorie «ausgerechnet».
Erst das Bayern-Spiel, dann die Revolution
Am Sonntag fällt der Startschuss für die Genossenschaft – ein im deutschen Profifußball bislang einmaliges Modell. Der Aufsteiger will beweisen: Auch eine andere Finanzierung des Milliardenspiels ist möglich. Ohne mächtige Investoren und Oligarchen. Stattdessen mit vielen Fans und Club-Mitgliedern als eigentliche Macht. Zum Vergleich: Die Bayern haben die Großunternehmen Audi, Adidas und die Allianz als Anteilseigner. Den Großteil von 75 Prozent hält freilich der Verein selbst.
Ob Hoeneß nach Hamburg reist, war nicht bekannt. «Ich werde ihn zum Spiel einladen. Vielleicht kauft Uli Hoeneß, wenn er kommt, auch noch Anteile von uns», hatte St. Pauli-Präsident Oke Göttlich der «Sport-Bild» gesagt. 850 Euro müsste Hoeneß berappen, um einen Anteil zu kaufen und Mitbesitzer des Millerntor-Stadions zu werden.
«Der Verein hat immer wieder gute Ideen, sich zu finanzieren, die Fans mitzunehmen, ein Wir-Gefühl zu kreieren», sagte Bayern-Sportdirektor Christoph Freund grundsätzlich, «und haben immer wieder sehr spezielle und gute Ideen und machen das richtig gut.»
Bayern-Sportdirektor: FC St. Pauli tut der Liga gut
Sportlich begegnen die Münchener den Hamburgern mit Respekt, obwohl die Mannschaft von Trainer Alexander Blessin bislang noch keinen Treffer in der eigenen Arena und damit auch noch keinen Heimsieg feiern konnte. Der Rekordmeister hingegen erzielte in seinen bisherigen fünf Auswärtspartien jeweils mindestens drei Tore. Gelingt dies auch in Hamburg, wäre dies ein Rekord. Allerdings stehen die Kiezkicker defensiv mit nur elf Gegentoren in neun Punktspielen relativ gut da.
«Ich sehe die Entwicklung von St. Pauli sehr positiv. Es ist ein spezieller Verein, sehr emotional. Ich glaube, er tut der Liga richtig gut», meinte Freund. «Sie spielen sehr guten Fußball, sind verdient aufgestiegen.»
Blessins Wiedersehen mit Kompany
Für St. Paulis Trainer Blessin ist das Spiel ein doppelter Grund zur Freude. «Es ist ein absolutes Highlight», sagte der 51-Jährige. «Ich hoffe, dass wir danach in den Spiegel schauen können und sagen, wir haben alles getan.»
Der andere Grund zur Freude ist das Wiedersehen mit Bayern-Trainer Vincent Kompany. Sie kennen sich noch aus der ersten belgischen Liga. Damals trafen sie dreimal aufeinander. Blessin als Trainer des KV Ostende und Kompany als Kollege des RSC Anderlecht. Blessin konnte den Favoriten zweimal mit jeweils einem 2:2 ärgern, eine Partie ging verloren.
Kompany erinnert sich gern an Hamburg
Für den 38-jährigen Kompany ist die Reise nach Hamburg auch eine Reise in die Vergangenheit. Von 2006 bis 2008 spielte er für den Stadtrivalen Hamburger SV in der Bundesliga, der FC St. Pauli war damals in der 3. Liga und der 2. Bundesliga.
«Meine Zeit in Hamburg war einfach sehr wichtig und wunderschön», sagte Kompany. Bei der Nachfrage, ob er denn damals auch auf der legendären Reeperbahn gewesen sei, antworte er erst mal indirekt: «Selbst die Beatles waren auf der Reeperbahn.»
Wie eng die Bande zwischen dem FC St. Pauli und dem einstigen Klassenfeind FC Bayern ist, zeigt auch eine geplante Aktion beider Fan-Lager: Mit einer gemeinsamen Choreo wird am Tag der Pogromnacht am 9. November 1938 jüdischen Sportlerinnen und Sportlern des FC St. Pauli gedacht.
Quelle: dpa