Lewis Hamilton verharrte nach einer letzten rasanten Aufholjagd im Auto, dann kniete sich der Rekordweltmeister an einem denkwürdigen und hochemotionalen Ende der erfolgreichsten Ära der Formel 1 neben seinen Mercedes. Während der neue Vizeweltmeister und Finalsieger Lando Norris heulend vor Glück, Freude und Stolz jeden im Team des neuen Konstrukteursweltmeisters McLaren herzte, riefen die Zuschauer immer wieder «Lewis, Lewis» von den Rängen. Und in der Mercedes-Box kämpfte auch Teamchef Toto Wolff mit den Tränen.
«Es war eine Reise in die Geschichtsbücher. Aus tiefstem Herzen: Nur das Beste für euch. Ich liebe euch», funkte Hamilton vorher aus seinem Wagen, der ihm in diesem Jahr auch so viel Probleme bereitet hatte. Dann drehte er rauchende Kreisel nach Platz vier von Startrang 16 aus. «Wir lieben dich auch», funkte Wolff zurück. «Und wenn wir nicht gewinnen können, dann sollst du es.» Im kommenden Jahr wird Hamilton, der seit 2013 für die Silberpfeile fuhr, wie einst Michael Schumacher und Sebastian Vettel im Ferrari antreten.
Dass er nicht zum neuen Teamchampion wechselt, lag vor allem an Norris. Diesmal zeigte er keine Nerven, obwohl der Druck enorm war. Seit 1998 wartete das britische Traditionsteam auf den Titel, der zwar weniger Prestige in der Öffentlichkeit hat, aber so immens ist für die Rennställe: Je weiter vorn, umso mehr Geld gibt es. 2008 hatte Hamilton im McLaren die Fahrer-WM gewonnen.
McLaren-Geschäftsführer: «Es waren Terrorrunden»
«Es fühlt sich unglaublich an, das Team hat einen fantastischen Job gemacht. Es ist perfekt, die Saison zu beenden. Ich bin unglaublich stolz auf jeden im Team», sagte Norris. «Es waren 58 Terrorrunden», meinte McLarens Geschäftsführer Zak Brown angesichts der Anspannung während des Rennens und fürchtete, sich bei den Feierlichkeiten bereits den Fuß verstaucht zu haben.
Durch seinen Sieg von der Pole aus degradierte er Ferrari zur Machtlosigkeit. Auch Platz zwei von Carlos Sainz und drei von Charles Leclerc – von Startrang 19 aus – nützten der Scuderia nichts. 21 Zähler hätten sie aufholen müssen, 14 blieben es. Im kommenden Jahr will Ferrari mit Hamilton und Leclerc den Angriff auf beide Titel starten. «Das hoffe ich», sagte Leclerc: «Lewis hat so viel erreicht in unserem Sport. Das wird auch eine Motivation sein.» 98 Tage nach dem Rennen in Abu Dhabi geht es 2025 in Melbourne mit einer Meisterschaft los, die alle Zutaten für Spektakel in 24 Akten hat.
Ob dann noch Verstappens Teamkollege Sergio Pérez dabei sein wird, ist äußert fraglich. Dass er sein womöglich letztes Formel-1-Rennen in der zweiten Runde nach einer Kollision beenden musste, für die er allerdings nichts konnte, passte ins trübe Bild seiner Saison.«Ich bin glücklich, dass jetzt alles vorbei ist. Es war ein sehr frustrierendes Jahr», sagte er bei Sky und räumte diesmal sogar ein: Er wisse nicht, wie es weitergehe, auch wenn er noch einen Vertrag für die kommende Saison habe.
Verstappen pöbelt nach Strafe: «Dumme Idioten»
Verstappen, der sich schon in Las Vegas zum vierten Mal gekrönt hatte, beendete das Rennen auf dem Yas Marina Circuit auf Platz sechs. Nach einer zu offensiven Attacke gleich in der ersten Kurve gegen Norris‘ Teamkollegen Oscar Piastri hatte er eine Zehnsekundenstrafe bekommen. Dass er danach via Boxenfunk noch pöbelte, könnte auch noch mal zu Konsequenzen führen. «Dumme Idioten», hatte der 27-Jährige gesagt.
Zu feiern gab es beim entthronten Teamchampion Red Bull diesmal eigentlich nichts. Dafür bei McLaren. 180 Flaschen Champagner hatte das Team bereits kaltgestellt. In der Zentrale im englischen Woking feierten auch die daheim geblieben Mitarbeiter mit.
Party-Time war aber auch bei McLarens Motorpartner Mercedes angesagt. Gegen Ende des Rennens machte George Russell Hamilton auch noch den Weg frei. Nach einem verheerenden taktischen «Idiotenfehler» (Wolff) in der Qualifikation und letztlich einem Startplatz in der achten Reihe machte sich Hamilton auf den Weg nach vorn. «Das war die Fahrt eines Weltmeisters», lobte Wolff.
Fast 250 Rennen bestritt Hamilton für das deutsche Werksteam. Er hatte damals den deutschen Rekordweltmeister Michael Schumacher abgelöst. Legendär wurden die Ansagen über Funk, wenn er besonders schnell fahren sollte: Zeit für die Hammer-Time.
Rosberg: «Das größte Naturtalent der Geschichte der Formel 1»
Hamilton feierte im Mercedes 84 Siege, holte 78 Pole Positionen und kam 153 Mal aufs Podium. Sechsmal wurde er im Silberpfeil Fahrer-Weltmeister, achtmal gewann Mercedes die Konstrukteursweltmeisterschaft. «Das größte Naturtalent der Geschichte der Formel 1», sagte Hamiltons ehemaliger Teamkollege und WM-Bezwinger (2016), Nico Rosberg, als Sky-Experte über den Briten, der seinen Weggang schon vor der Saison angekündigt hatte.
Was dann folgte, hatte er nach eigenen Angaben unterschätzt. «Die Emotionen kommen in Wellen, das ist nicht immer einfach zu kontrollieren», sagte er auf dem Yas Marina Circuit. Bei einer ersten Abschiedszeremonie am Donnerstag in Abu Dhabi «hat der halbe Raum geweint», berichtete Wolff. Am Sonntag dürften es alle gewesen sein.
Quelle: dpa