Russland bleibt nach Worten des früheren Bundespräsidenten Joachim Gauck langfristig die «größte und unmittelbarste Bedrohung» für die Sicherheit Deutschlands und des Westens. Seit vielen Jahren schon agiere Kremlchef Wladimir Putin in der internationalen Politik «mitoffener Aggression, neoimperialer Gewalt und hybrider Kriegsführung», sagte Gauck (84) bei der Verleihung des Benediktpreises in Mönchengladbach laut Redemanuskript. Putins Angriff gelte aktuell der Ukraine – «auf längere Hinsicht hingegen dem gesamten Westen», warnte Gauck.
Russland habe seine Wirtschaft und Gesellschaft inzwischen ganz auf Krieg
ausgerichtet. «In fünf bis acht Jahren dürfte es personell und materiell zu einem Angriff auf die Nato in der Lage sein.» Schon jetzt versuche der Kreml, ganz ohne uniformierte Truppen die offenen Gesellschaften des Westens zu beeinflussen. Dazu gehörten Spionage und Sabotage, Cyberattacken auf Institutionen, Parteien und Personen sowie Desinformation.
Nicht vom Geist der Unterwerfung infizieren lassen
Gauck bezeichnete Forderungen nach einem Ende der westlichen Waffenlieferungen an die Ukraine und einem schnellen Friedensschluss mit Russland als «Erzählungen, die vom Geist der Unterwerfung infiziert sind und sich trefflich in die russische Staatspropaganda einfügen».
Putin sei es in der Ukraine nie um ernsthafte Verhandlungen gegangen. «Sein Ziel bleibt die vollständige Unterwerfung. Er will einen Vasallenstaat», sagte der evangelische Theologe. «Ein Frieden zugunsten Putins eröffnet dann keine Nachkriegszeit, sondern eine Vorkriegszeit.» Die entschlossene Unterstützung des Westens für die Ukraine sei nicht nur eine moralische Pflicht, sondern eine strategische Notwendigkeit für Deutschland und Europa.
Deutschland hat Russland zu lange falsch eingeschätzt
Zu lange sei Deutschland zu arglos gegenüber Russland gewesen, kritisierte Gauck. «Über Jahrzehnte war die deutsche Russlandpolitik von Fehleinschätzungen geprägt, von denen wir uns bis heute weiter befreien müssen.»
Der Benediktpreis von Mönchengladbach wird für wertorientiertes und vor dem Hintergrund der christlichen-abendländischen Erfahrungen in besonderer Weise herausragendes Handeln verliehen. Preisträger waren unter anderem der Initiator des Stolpersteine-Projekts, Gunter Demnig, die Journalistin Dunja Hayali und Königin Silvia von Schweden. Die Laudatio auf Gauck hielt NRW- Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU).
Quelle: dpa