Beim Industriekonzern Thyssenkrupp haben sich Arbeitnehmervertreter besorgt über den angekündigten Rückzug des Finanzchefs Jens Schulte geäußert. «Der überraschende Abschied von Herrn Schulte ist sehr irritierend», sagte Jürgen Kerner, der Zweite Vorsitzende der IG Metall, der auch stellvertretender Aufsichtsratschef von Thyssenkrupp ist, der «Westdeutschen Allgemeinen Zeitung» (WAZ). «Es drängt sich der Verdacht auf, dass er nur zur Überbrückung bei Thyssenkrupp angeheuert hat oder dass es interne Zerwürfnisse gibt. Hier ist eine Klärung nötig.»
Schulte (53) hatte seinen Posten erst am 1. Juni angetreten. Am Donnerstag hatte das Unternehmen mitgeteilt, dass Schulte als Finanzvorstand zur Deutschen Börse AG wechseln wollte und daher um Beendigung seines Vorstandsmandats bitte. «Wir respektieren den Wunsch von Herrn Schulte, die sich ihm bietende Chance zu ergreifen, in den Vorstand eines DAX-40 Unternehmens zu wechseln, auch wenn wir sein Ausscheiden aus dem Vorstand der Thyssenkrupp AG sehr bedauern», hatte Aufsichtsratschef Siegfried Russwurm mitgeteilt.
Wann Schulte genau wechselt, wurde noch nicht bekannt. Laut der Mitteilung vom Montag wird er bis dahin weiterhin Finanzvorstand bleiben und ab dem 1. Februar auch die Aufgaben des Personalvorstands übernehmen.
Thyssenkrupp hatte im vergangenen Geschäftsjahr 2023/24 vor allem durch hohe Wertberichtigungen der Stahlsparte einen Verlust von 1,4 Milliarden Euro erlitten. Die Sparte steht aktuell vor einem tiefgreifenden Umbau, bei dem insgesamt 11.000 der derzeit 27.000 Stellen gestrichen oder ausgegliedert werden sollen. Im Streit um die Neuausrichtung der Sparte hatten Ende August drei Stahlvorstände das Unternehmen verlassen.
Auch Personalvorstand Burkhard verlässt Thyssenkrupp-Vorstand
Der Weggang von Schulte ist nicht die einzige überraschende Personalie in der jüngsten Zeit. Vergangene Woche hatte Thyssenkrupp bekannt gemacht, dass Personalvorstand Oliver Burkhard seinen Vorstandsposten niederlegen wird, um sich auf seine Aufgabe als Chef der Thyssenkrupp-Marinesparte zu konzentrieren. Am Dienstag hatte Thyssenkrupp mitgeteilt, dass Chefstratege Cetin Nazikkol das Unternehmen bereits Ende November verlassen hat, «um sich neuen Herausforderungen zu widmen».
«Wir stellen fest: Führungskräfte verlassen in Scharen das Unternehmen – teils unsanft hinausgedrängt, teils freiwillig, weil sie um ihren Ruf fürchten oder einfach genug haben von nicht nachvollziehbaren Entscheidungen und der neuen Führungskultur», sagte Kerner der WAZ. Das Unternehmen und seine Beschäftigten benötigten Ruhe, Kontinuität und Konzentration auf die Lösung der großen Herausforderung, betonte er. «Was sie bekommen, ist Führungschaos.»
Quelle: dpa