Nach zehn Tagen zäher Verhandlungen prallen auf der UN-Klimakonferenz in Aserbaidschan die Interessen noch immer knallhart aufeinander – bis Freitag soll aber ein Konsens unter den fast 200 Staaten stehen. Entwicklungsstaaten fordern in Baku, dass die Industrieländer ehrgeiziger die Klimakrise bekämpfen und Billionen an Hilfsgeldern auszahlen. Die EU tritt dagegen auf die Bremse und betont, man werde erst konkrete Summen anbieten, wenn andere Schlüsselfragen geklärt seien. «Sonst hat man einen Warenkorb mit einem Preisschild, von dem man aber nicht genau weiß, was drin ist», sagte EU-Klimakommissar Wopke Hoekstra.
Der zweiwöchige Gipfel mit zehntausenden Teilnehmern soll planmäßig am Freitag enden – eine Verlängerung war in den vergangenen Jahren aber üblich. Zentraler Streitpunkt ist, wie stark die Finanzhilfen an Entwicklungs- und Schwellenländer aufgestockt werden. Der Bedarf an externen Hilfen beträgt laut einer unabhängigen UN-Expertengruppe bis 2030 rund eine Billion US-Dollar pro Jahr – und sogar 1,3 Billionen bis 2035. Das wären 10 bis 13 mal mehr, als bisher an Klimahilfe fließt.
Umweltschützer schlagen vor, Geld dafür über höhere Steuern auf Flüge, auf die Ölproduktion oder auf das Vermögen von Superreichen einzutreiben. Letzteres machten sich sogar die G20-Staaten zu eigen: Ohne in die Steuerhoheit der Staaten einzugreifen, werde man sich gemeinsam darum bemühen, sehr vermögende Personen effektiv zu besteuern, heißt es in der Erklärung aus Rio de Janeiro.
China – noch immer ein Entwicklungsland?
Die EU und die Bundesregierung sind grundsätzlich bereit, mehr Geld zu mobilisieren. Klimastaatssekretärin Jennifer Morgan sagte im Plenum, anstelle der erkrankten Außenministerin Annalena Baerbock: «Deutschland hält seine Versprechen. Wir werden unseren Teil beitragen.»
Zuvor hatte sie es aber mehrmals unrealistisch genannt, dass Industrieländer Billionensummen aus ihren regulären Haushalten stemmen. Die Bundesregierung pocht daher darauf, dass Länder wie China und die reichen Golfstaaten, die viel Geld mit Öl, Gas und Kohle verdient haben, ebenfalls Geld beitragen. Noch gelten diese, und etwa auch Indien, nach einer 30 Jahre alten UN-Einstufung aber als Entwicklungsstaaten – und damit als Empfängerländer.
Bewegung kommt nun von Seiten einiger Entwicklungsländer: So sagte etwa die nigerianische Umweltministerin, Balarabe Abbas Lawal, dem «Guardian»: «China und Indien können nicht in die gleiche Kategorie eingruppiert werden wie Nigeria und andere afrikanische Länder.» Sie sollten stattdessen selbst Geld beitragen. Auch die Umweltministerin Kolumbiens, Susana Muhamad, sagte dem Blatt, die alten Kategorien seien «obsolet». Äußerungen wie diese könnten den Druck auf China erhöhen.
EU befürchtet Rückschritte
Die EU befürchtet, dass ehrgeizige Formulierungen der vergangenen Klimakonferenz in Dubai bei den Verhandlungen in Baku unter die Räder kommen könnten – etwa zum Thema Eindämmung von Klimagasen und zur Abkehr von Öl, Gas und Kohle. Dazu sagte EU-Kommissar Hoekstra, Rückschritte kämen nicht infrage. Außenministerin Baerbock schrieb dazu auf Twitter: «An alle, die darüber nachdenken, die Uhr zurückzudrehen: Die Lösungen für die Klimakrise sind die größte wirtschaftliche Chance. Weltweit sind die Investitionen in grüne Energien doppelt so hoch wie in fossile Energien.»
Darin ist sie sich mit vielen Vertretern der verletzlichsten Staaten einig, die heute am heftigsten unter den Folgen der Erderhitzung leiden, also etwa häufigeren und heftigeren Dürren, Stürmen und Waldbränden. Ein Vertreter des pazifischen Inselstaats Mikronesien rief im Plenum: «Wir fordern die größten Verschmutzer der Welt auf, Verantwortung zu übernehmen. Stoppt den Ausbau von Öl, Gas und Kohle!» Sein Land – wegen des steigenden Meeresspiegels vom Untergang bedroht – sei nicht bereit, «sich einer Krise zu ergeben, die wir nicht verursacht haben».
Der Vertreter der afrikanischen Staaten, der kenianische Klimabeauftragte Ali Mohamed, nannte es «sehr frustrierend», dass die Industriestaaten auch nach zehn Tagen auf der COP29 keine konkrete Summe für die künftigen Klimahilfen nennen. Der Vertreter der 45 am wenigsten entwickelten Staaten, Diego Pachego aus Kolumbien, antwortete auf die Frage, was etwa von 200 Milliarden US-Dollar jährlich zu halten sei: «Ist das ein Witz?» Er betonte, Klimahilfen seien keine Wohltaten, sondern gemäß dem Pariser Klimaabkommen von 2015 eine rechtliche Verpflichtung der klassischen Industriestaaten. Diese hätten das Geld, doch fehle politischer Wille, es zu mobilisieren.
Petro-Staat Aserbaidschan als Vermittler gefragt
Im Fokus steht nun die der Gastgeber Aserbaidschan – der selbst 90 Prozent seiner Exporterlöse mit Öl- und Gas erzielt. Die Präsidentschaft erklärte, sie setze nun auf einen «Geist der Zusammenarbeit und Kompromissbereitschaft», um bis Freitag zu einem Ergebnis zu kommen. Am Donnerstagmorgen sollen erstmals Entwürfe für die verschiedenen Beschlüsse vorliegen.
Quelle: dpa