Die beiden Eltern (r), die ihre Kinder monatelang haben hungern lassen, warten auf den Beginn des Verhandlungstages - daneben ihr Anwalt., © Roland Weihrauch/dpa

Kinder mussten monatelang hungern – Strafe für Eltern

Monatelang haben Eltern am Niederrhein ihre beiden Kinder hungern lassen – nun sind beide zu Gefängnisstrafen verurteilt worden. Dreieinhalb Jahre Haft für den Vater, zwei Jahre und neun Monate für die Mutter lauteten die Urteile am Landgericht in Moers.

Man sei überzeugt, dass die Eltern ihre Kinder böswillig vernachlässigt hätten – vermutlich über Jahre, sagte die Vorsitzende Richterin. Als die Behörden die Mädchen 2021 in Obhut nahmen, waren beide durch die Unterernährung bereits in einem lebensbedrohlichen Zustand. Die Eltern hatten erklärt, sie seien mit der Versorgung ihrer Kinder überfordert gewesen. Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig.

Bäuche wie bei Kindern in Hungergebieten

Als Ärzte in dem Prozess den Zustand der beiden Mädchen beschrieben, wurde es danach erst einmal still im Gerichtssaal. Die beiden konnten kaum laufen, kaum sprechen und mussten den Umgang mit fester Nahrung erst lernen. Die Bäuche der beiden seien aufgebläht gewesen wie man es sonst nur von hungernden Kindern in Entwicklungsländern kennt. 8,4 Kilo wog die Zweijährige, 10,2 Kilo das fast vierjährige Mädchen. Anfangs mussten sie künstlich ernährt werden.

Wie lange die Zustände in der Familie in Kamp-Lintfort schon so desaströs waren, konnten Polizei und Justiz am Ende nicht mehr klären. Mindestens über mehrere Monate müssen die Mädchen massiv gehungert haben, waren die Ärzte sicher. Vieles deute aber auch darauf hin, dass sie schon vorher über lange Zeiträume sich selbst überlassen in ihren Gitterbettchen gelegen hätten, sagte die Staatsanwältin.

Die Eltern hatten die Vorwürfe vor Gericht teilweise eingeräumt. «Ich habe kläglich versagt», äußerte der Vater in seinem Schlusswort. Vielleicht habe er manchmal nicht genug gekocht, hatte er zuvor ausgesagt. Zuletzt habe er wegen einer Magen-Darm-Erkrankung der Kinder nur noch Suppen und Schonkost zubereitet.

Richterin: Nahrung bewusst verweigert

Aber so könne es nicht zu der massiven Unterernährung gekommen sein, betonten Mediziner in dem Verfahren. Es gebe keinen Zweifel, dass die Eltern ihren Kindern Nahrung und Zuwendung bewusst verweigert hätten, stellte am Ende die Vorsitzende Richterin fest. «Essen war da, die Vorratskammer war voll.»

Von einer «erheblichen Eigensucht» sprach die Richterin. Weil ihnen etwa das eigene Ruhebedürfnis wichtiger gewesen sei, hätten die Eltern ihren Kindern wohl Zuwendung und Nahrung bewusst verweigert. Unter dem Strich sei das als «böswillig» zu bezeichnen. Noch bevor klar war, dass die Kinder aus dem Krankenhaus nicht zurück zu ihren Eltern kommen würden, hätten die Eltern das Kinderzimmer ausgeräumt und ein Zimmer für ihre Spielekonsole daraus gemacht.

Die Verteidiger hatten den Vorwurf der Böswilligkeit vehement zurückgewiesen. Der Vater und die Mutter seien mit der Situation schlicht überfordert gewesen, argumentierten die Anwälte der beiden. Doch das sah die Kammer anders.

Mädchen sind in Pflegefamilien «aufgeblüht»

Die Mädchen leben inzwischen bei Pflegefamilien. Sie seien dort regelrecht aufgeblüht, berichteten die Pflegeeltern. Trotzdem werden sie nach Einschätzung der Ärzte womöglich ein Leben lang mit den Folgen der Unterernährung und der Vernachlässigung zu kämpfen haben.

Quelle: dpa