Es ist die Geschichte eines Orts, der seit Jahrzehnten die israelische Politik beschäftigt, die Gerichte und die internationale Diplomatie. Die Region Masafer Jatta südlich von Hebron im Westjordanland wurde Anfang der 1980er Jahre von der israelischen Armee zum Militärübungsplatz erklärt.
2022 bestätigte das Oberste Gericht Israels den Abriss von rund 20 palästinensischen Dörfern mit etwa 1000 Bewohnern. Die Bundesregierung äußerte sich besorgt und forderte Israel auf, die Räumung zu stoppen. Das sind die dürren Fakten.
Der Dokumentarfilm «No Other Land» eines palästinensisch-israelischen Teams zeigt diese Geschichte sehr emotional aus dem Blickwinkel der palästinensischen Bewohner. Die ersten Bilder stammen von 2019, gefilmt von Basel Adra, einem jungen Mann aus Masafer Jatta.
Schreiende Frauen retten hektisch ihr Hab und Gut aus einem flachen Bungalow, bevor ein Bulldozer, begleitet von Soldaten, den Beton zermalmt. Palästinensische Familien samt Waschmaschine und Sofa suchen Unterschlupf in einer Höhle. Adras Vater sagt wenig später: «Wenn ich sehe, was passiert, werde ich so wütend, dass ich Steine werfen möchte. Aber ich halte mich zurück.»
«Was interessiert dich das?»
Ein israelischer Journalist kommt nach Masafer Yatta, Yuval Abraham. Der junge Mann spricht fließend Arabisch, er möchte über das Vorgehen der israelischen Armee schreiben, er nennt es «ein Verbrechen». An einer Stelle im Film fragt ihn ein Soldat: «Was interessiert dich das?» Abraham sagt: «Es interessiert mich, weil das alles in meinem Namen passiert.»
Adra und Abraham freunden sich an, drehen den Dokumentarfilm gemeinsam. Bis Oktober 2023 wiederholen sich immer und immer wieder ähnliche Szenen: Bulldozer, Zerstörung, Soldaten, heimlicher Wiederaufbau der Häuser, Proteste, Verhaftungen. Und immer wieder sieht man die beiden jungen Filmemacher im leisen Gespräch, rauchend, ratlos.
Umstrittene Äußerungen bei der Berlinale-Gala
«No Other Land», der jetzt ins Kino kommt, wurde bei den Berliner Filmfestspielen 2024 mit dem Dokumentarfilmpreis ausgezeichnet. Aber das ging fast unter im Tumult über den Verlauf der Berlinale-Gala. Auf der Bühne äußerten mehrere Filmemacher Kritik an Israel, die als einseitig und antisemitisch kritisiert wurde. Der Zentralrat der Juden sprach von «ideologischer Hetze gegen Israel und Juden». Die Gewalt gegen Israelis, insbesondere der Terrorangriff der Hamas wenige Monate zuvor, wurde bei der Veranstaltung kaum erwähnt.
Der Vorwurf des Antisemitismus traf auch Abraham, der bei der Verleihung von einer «Situation der Apartheid» zwischen Israelis und Palästinensern gesprochen hatte. Der Journalist wies die Vorhaltungen als absurd zurück, zumal Mitglieder der Familie seines Großvaters im Holocaust von Deutschen ermordet worden seien.
Neuer Streit zum Kinostart
Die Diskussion flammte zum Kinostart wieder auf. Abraham entrüstete sich am Dienstagabend über eine inzwischen gelöschte Filmbeschreibung auf dem Hauptstadtportal Berlins. Auf der Website stand zeitweise, der Film des palästinensisch-israelischen Teams weise «antisemitische Tendenzen» auf.
Der Berliner Senat verweist darauf, dass die Filmbeschreibung wie allgemein die Kino-Texte auf der Internetseite «berlin.de» von einem externen Dienstleister stammten. Am Mittwochnachmittag wurde auf der Seite der Hinweis ergänzt: «In einer früheren Version des Textes hieß es, dass dieser Film «antisemitische Tendenzen aufweist». Diese Bewertung war falsch und unzulässig. Sie wurde deshalb entfernt. «Berlin.de» bittet diesen Fehler zu entschuldigen.»
Die Anschuldigung der «antisemitischen Tendenzen» sei «schlichtweg falsch», schrieb der deutsche Botschafter in Israel, Steffen Seibert, bei X. Der Film zeige eine harte Realität und stelle sich auf die Seite der Palästinenser, deren Häuser abgerissen werden. Über die politischen Aspekte könne man streiten.
«No Other Land» beleuchtet im endlosen Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern nur eine Sicht der Dinge. Die Rollen von gut und böse sind hier klar verteilt. Doch gibt der Film Einblick in eine Welt, die oft in dürren Fakten aus großer Distanz sehr abstrakt bleibt. Er macht unwohl. Vielleicht kann das für 90 Minuten so stehen bleiben, bevor man aus dem Kino tritt und wieder die Augen öffnet für das Leid der anderen Seite.
Quelle: dpa