Kanzler Olaf Scholz hat im Bundestag vor politischem Stillstand bis zur Neuwahl des Bundestags am 23. Februar gewarnt. In einer Regierungsbefragung forderte der SPD-Politiker die Opposition erneut zur Zustimmung zu mehreren Gesetzesvorhaben seiner rot-grünen Minderheitsregierung auf. «Die Zeit des Wahlkampfes ist nicht die Zeit des Stillstands. Man kann noch etwas tun», sagte er. «Ich bitte Sie, dabei mitzuwirken.»
Seinen umstrittenen Ukraine-Kurs verteidigte Scholz. Er bekräftigte sein Nein zur Lieferung des Marschflugkörpers Taurus in die Ukraine und wandte sich gegen Spekulationen über eine Entsendung deutscher Soldaten im Friedensfall.
«Ich will auch mein eigener Nachfolger werden»
Zu seiner eigenen Zukunft nach der Wahl sagte er: «Ich will auch mein eigener Nachfolger werden.» Der Kanzler stellte sich erstmals seit dem Aus der Ampel-Koalition und der Neuwahl-Entscheidung für etwa eine Stunde den Fragen der Abgeordneten. In der kommenden Woche will er mit einem Antrag beim Bundestag die Vertrauensfrage stellen, über die dann am 16. Dezember abgestimmt werden soll. Damit will Scholz die Neuwahl im Februar herbeiführen.
Die Befragung war vom beginnenden Wahlkampf geprägt. In seiner Eingangsrede richtete Scholz aber einen Appell an die Abgeordneten im Bundestag, die politische Arbeit nicht wegen der Wahl einzustellen. Als mögliche gemeinsame Beschlüsse nannte er die vorgesehene Entlastungen bei der sogenannten kalten Progression bei der Einkommenssteuer, eine Erhöhung des Kindergelds und die weitere Finanzierung des Deutschlandtickets im Nahverkehr. Zudem gehe es um eine Verlängerung der Mietpreisbremse für angespannte Wohnungsmärkte. Es wäre schlecht, wenn sie Ende nächsten Jahres auslaufe.
Zur Sicherung von Arbeitsplätzen in der Industrie brauche es zudem Sicherheit bei den Energiepreisen, mahnte der Kanzler. «Wir haben jetzt den Vorschlag gemacht, für das nächste Jahr mit den noch verfügbaren Mitteln einen Anstieg der Netzentgelte für die großen Überlandleitungen zu verhindern, die so wichtig sind und so viele Investitionen erfordern.» Er bitte daher, den Vorschlag für eine Entlastung noch in diesem Jahr auch in diesem Parlament zu beschließen.
Scholz wirbt für «kühlen Kopf» in Ukraine-Politik
Die Befragung fand nur zwei Tage nach der Reise des Kanzlers in die Ukraine statt, die von der Union als Wahlkampfmanöver kritisiert wurde. Scholz sagte, es sei für ihn gerade jetzt, vor diesem Winter mit seinen großen Gefahren zentral gewesen, mit der Ukraine zu sprechen. «Das muss auch sehr ausführlich und intensiv geschehen.»
Er bekräftigte sein Nein zur Lieferung der weitreichenden Taurus-Marschflugkörper und sein Nein zu einer grundsätzlichen Erlaubnis für den Einsatz deutscher Waffen gegen Ziele auf russischem Territorium. Es komme darauf an, «einen kühlen Kopf zu bewahren».
Spekulationen über deutsche Truppen «ganz unangemessen»
Scholz nannte es auch «ganz unangemessen», jetzt über einen möglichen Einsatz deutscher Soldaten in der Ukraine im Friedensfall zu spekulieren. Er widersprach dem Eindruck, dass Außenminister Annalena Baerbock (Grüne) jetzt schon einen solchen Einsatz ins Auge fasse. Baerbock sei am Rande eines Außenministertreffens in Brüssel gefragt worden, was «in einer späteren Friedensphase» Sache sei. «Und eigentlich hat sie nur versucht, weder ja noch nein zu sagen», sagte Scholz.
Baerbock hatte in Brüssel ungefragt gesagt, dass verschiedene Elemente eines Friedens in der Ukraine im Raum stünden, darunter «eine internationale Präsenz zur Absicherung eines Waffenstillstandes». Auf die Frage nach einer möglichen deutschen Rolle dabei sagte sie, Deutschland werde «mit all unseren Kräften unterstützen», was dem Frieden diene.
Wo bleibt das «Wirtschaftswunder»?
Bei der Frage, wo denn das «Wirtschaftswunder» bleibe, das er mal angekündigt habe, argumentierte Scholz, dass die Bundesregierung die notwendigen Investitionen dafür ermöglicht habe. Sie machten Wachstumsprozesse im Land möglich, «die viel größer sind als das, was wir in der Vergangenheit kennengelernt haben». Im Übrigen sei für Deutschland die aktuelle Schwäche der weltwirtschaftlichen Nachfrage eine «andere Herausforderung» als für andere Länder.
Irritationen wegen Äußerung zu Südkorea
Für Irritationen sorgte Scholz mit einer Äußerung zur politischen Lage in Südkorea. Es sei bedrückend, dass das mit Deutschland befreundete Land das Kriegsrecht ausgerufen habe, sagte er und fügte hinzu: «Mein Wunsch ist, dass das ganz schnell zurückgenommen wird, wie das koreanische Parlament auch gefordert hat.» Die CDU-Wirtschaftspolitikerin Julia Klöckner wies Scholz mit den Worten «nur zu Ihrer Erhellung» umgehend darauf hin, dass das Kriegsrecht bereits aufgehoben worden sei.
Tatsächlich hatte Südkoreas Präsident Yoon Suk Yeol am Dienstag überraschend das Kriegsrecht verhängt, dies aber wenige Stunden später nach massivem politischem Widerstand wieder zurückgenommen. Inzwischen gibt es Rücktrittsforderungen gegen ihn. Unklar blieb, was Yoon zu seinem radikalen Schritt bewog.
Quelle: dpa