Nordrhein-Westfalens Flüchtlingsministerin Josefine Paul (Grüne) nimmt Stellung zu der gescheiterten Abschiebung des mutmaßlichen Solinger Attentäters., © Christoph Reichwein/dpa

NRW verschärft Regeln zur Rückführung Ausreisepflichtiger

Nach der tödlichen Messerattacke von Solingen verschärft die nordrhein-westfälische Landesregierung die Pflichten der kommunalen und zentralen Ausländerbehörden bei Rückführungen abgelehnter Asylbewerber. Künftig muss bei jeder gescheiterten Überstellung unmittelbar geprüft werden, ob ein zweiter Versuch unternommen werden kann. Das geht aus einem neuen Erlass hervor, den NRW-Fluchtministerin Josefine Paul (Grüne) im Integrationsausschuss des Düsseldorfer Landtags vorgestellt hat. 

Die lange vor dem Messerangriff geplante Abschiebung des tatverdächtigen Syrers nach Bulgarien war gescheitert, weil er in seiner Notunterkunft nicht anzutreffen war; weitere Versuche hatte es nach bisherigen Angaben nicht gegeben.

Meldepflicht nach mehr als drei Tagen Abwesenheit

Der neue Erlass verpflichtet die Leitungen der kommunalen Unterbringungseinrichtungen ausdrücklich, jede mehr als drei Tage dauernde Abwesenheit Ausreisepflichtiger unverzüglich an die Zentralen Ausländerbehörden (ZAB) zu melden. Diese Informationspflicht gilt auch, wenn die betroffenen Personen wieder auftauchen.

Sofern Betroffene länger als drei Tage abwesend seien, könnten sie von der zuständigen ZAB zur Festnahme ausgeschrieben werden, heißt es in dem Erlass. Die ZAB habe zu prüfen, ob der Ausreisepflichtige als flüchtig einzustufen sei – in dem Fall kann die regulär sechsmonatige Überstellungsfrist verlängert werden.

Falls eine zur Festnahme ausgeschriebene Person zurückkehrt, muss die Einrichtungsleitung unverzüglich die Polizei verständigen. Die Dokumentationspflicht über den gesamten Vorgang wird verschärft.

Ausländerbehörde hat Zutritt zu allen Räumen

Der Erlass stellt zudem klar, dass Mitarbeiter der ZAB in der Unterbringungseinrichtung Zugang zu allen Räumen haben, in denen sich Ausreisepflichtige aufhalten könnten. Für einen Zugriff sei es nicht ausreichend, lediglich das Zimmer der betroffenen Person zu betreten. Auch Gemeinschaftsräume, die Kantine oder die Zimmer weiterer untergebrachter Personen dürften betreten werden.

Nach einem gescheiterten Überstellungsversuch soll bei der Zentralen Fluganmeldestelle (ZFA) nachgefragt werden, ob zwischenzeitlich ein weiterer Platz freigeworden ist. «Die ZFA wird beauftragt, ab sofort bei jeder eingegangenen Stornierung die verbleibende Überstellungsfrist zu überprüfen und umgehend einen neuen Flug zu buchen», heißt es im Erlass. 

Bei Fluchtgefahr Überstellungshaft möglich

Sofern bereits im Vorfeld einer Überstellung das Verhalten des Betroffenen darauf schließen lasse, dass er sich einer Maßnahme entziehen könnte – etwa bei regelmäßigen Abwesenheiten während der Nacht – könne erwogen werden, Überstellungshaft zu beantragen. 

Bei dem Anschlag hatte ein Mann auf einem Stadtfest in Solingen in der vorletzten Woche drei Menschen mit einem Messer getötet und acht weitere verletzt. Mutmaßlicher Täter ist der 26-jährige Syrer Issa Al H., der in Untersuchungshaft sitzt. Er war Ende 2022 über Bulgarien nach Deutschland gekommen und hätte nach den sogenannten Dublin-Asylregeln eigentlich nach Bulgarien zurückgebracht werden müssen. Dies geschah jedoch nicht, weil der Mann am vorgesehenen Tag im Juni 2023 nicht in der Paderborner Landeseinrichtung angetroffen wurde. 

 

Quelle: dpa