Israel geht im Libanon weiter militärisch gegen die Hisbollah vor., © Hassan Ammar/AP

Israel bestätigt: Mutmaßlicher Nasrallah-Nachfolger getötet

Israels Militär hat die Tötung des mutmaßlichen Nachfolgers von Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah bestätigt und seine Angriffe auf die proiranische Miliz im Libanon fortgesetzt. Haschim Safi al-Din sei vor rund drei Wochen bei einem Angriff auf das Hauptquartier des Hisbollah-Geheimdienstes in einem Vorort der Hauptstadt Beirut getötet worden, teilte das Militär am Dienstagabend mit. Die Schiiten-Miliz bestätigte seinen Tod bisher nicht.

Der israelische Verteidigungsminister Joav Galant betonte derweil bei einem Treffen mit US-Außenminister Antony Blinken am Abend, die Hisbollah werde auch nach Abschluss der «gezielten Operationen» im Libanon so lange weiter bekämpft, bis die Miliz aus dem Grenzgebiet vertrieben sei und die geflohenen Bewohner im Norden Israels sicher zurückkehren könnten.

Safi al-Din sei Mitglied im sogenannten Schura-Rat der Hisbollah gewesen, dem ranghöchsten militärisch-politischen Gremium der Hisbollah, erklärte Israels Armee. Dieses sei für die Entscheidungsfindung und politische Gestaltung der Terrororganisation zuständig. Nach Angaben der Armee hatten sich zum Zeitpunkt des Angriffs vor rund drei Wochen mehr als 25 Mitglieder des Hisbollah-Geheimdienstes dort befunden, getötet wurde demnach auch Ali Hussein Hasima, der Befehlshaber des Geheimdienstes der Hisbollah. Er sei für die Leitung zahlreicher Angriffe auf Israels Soldaten verantwortlich gewesen.

Blinken setzt Nahost-Gespräche fort

US-Außenminister Blinken rief während seiner Nahost-Reise bei einem Treffen mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu in Jerusalem dazu auf, die Chancen zu ergreifen, die sich nach der Tötung des Hamas-Anführers Jihia al-Sinwar im umkämpften Gazastreifen böten. Dies könne zur Freilassung der israelischen Geiseln aus der Gewalt der mit der Hisbollah verbündeten Hamas sowie zu einem Ende des Kriegs in Gaza führen, zitierte ihn sein Sprecher Matthew Miller. Blinken habe betont, wie wichtig es sei, neue Wege für die Nachkriegszeit zu suchen, damit Palästinenser und Israelis dauerhaft in Sicherheit leben können. 

Blinken forderte Israels Regierung nach Angaben seines Sprechers dazu auf, mehr humanitäre Hilfe für die notleidende Zivilbevölkerung im abgeriegelten Gazastreifen durchzulassen. Netanjahus Büro ging in seiner Darstellung des Gesprächsverlaufs nicht darauf ein. 

Die für Palästinenserangelegenheiten zuständige israelische Militärbehörde Cogat gab bekannt, dass in den vergangenen acht Tagen 237 Lastwagen mit Hilfsgütern allein in den besonders von Mangel betroffenen Norden Gazas eingefahren seien. Nach Ansicht von Hilfsorganisationen ist das allerdings nicht ausreichend, um die hungernde Bevölkerung zu versorgen. 

Heute stehen für Blinken Termine in der saudischen Hauptstadt Riad auf dem Programm, darunter ein Gespräch mit seinem Amtskollegen.

Wieder Tote im Libanon

Im Libanon kamen bei erneuten israelischen Angriffen wieder mehrere Menschen ums Leben. Das libanesische Gesundheitsministerium teilte mit, dass bei einem Angriff im Nordosten des Landes fünf Menschen getötet und zehn weitere verletzt worden seien. Bei einem anderen Angriff bei Nabatija im Südlibanon wurden nach Behördenangaben fünf Menschen getötet und 21 weitere verletzt.

Das israelische Militär rief am späten Abend erneut zu Evakuierungen in den als Dahija bekannten südlichen Vororten Beiruts auf. Kurz vor Mitternacht griff Israels daraufhin erneut an. Örtliche Medien berichteten von mindestens fünf Angriffen. Nach eigenen Angaben zielte die Armee damit unter anderem auf Waffenlager und -produktionsstätten. Bereits am Nachmittag hatte Israels Luftwaffe dort Gebäude angegriffen.

Die Hisbollah setzte wiederum den Beschuss Israels fort. Etwa 140 Geschosse seien vom Libanon aus abgefeuert worden, teilte Israels Armee am späten Abend mit. Details wurden zunächst nicht genannt. Für Einwohnerinnen und Einwohner im Stadtzentrum von Tel Aviv begann der Morgen mit Raketenalarm: Menschen eilten in Schutzräume, es waren dumpfe Explosionen zu hören.

Es war der zweite Tag in Folge, dass die Hisbollah Raketen auf den Großraum Tel Aviv abfeuerte. Die Miliz behauptete, sie habe ein israelisches Geheimdienstzentrum nördlich der Stadt getroffen. Die israelische Armee teilte dagegen mit, zwei aus dem Libanon abgefeuerte Geschosse seien von der Raketenabwehr abgefangen worden. 

Die mit dem Iran verbündete Miliz will ihre Angriffe erklärtermaßen erst einstellen, wenn eine Waffenruhe für Gaza vereinbart wurde. Bei Verhandlungen unter Vermittlung der USA, Ägyptens und Katars gibt es jedoch seit Monaten keine Fortschritte. Daran änderte auch die Tötung von Hamas-Chef Sinwar in der vergangenen Woche bisher nichts.

Safi al-Din rief zur Vernichtung Israels auf

Abgesehen von Nasrallah hat das israelische Militär bisher vor allem Militärkommandeure, nicht aber Angehörige der oberen politischen Ränge der Miliz getötet. Die Hisbollah mag die schwersten Schläge seit Jahrzehnten erlitten haben, den Konflikt mit Israel dürfte sie aber – wenn auch deutlich geschwächt – fortsetzen. Im vergangenen Jahr hatte Safi al-Din gesagt: «Es mag einen Krieg, zwei Kriege, drei Kriege» dauern und «mehrfache Konfrontationen» erfordern, aber letztlich müsse Israel vernichtet werden. 

Safi al-Din – in umgeschriebener Fassung auch als Safieddine bekannt – gehörte als Chef des Exekutivrats schon lange zu einer der wichtigsten Figuren innerhalb der Führung der Miliz. Er war etwa 60 Jahre alt – sein genaues Alter ist unbekannt. In den 1980er Jahren soll er im Iran ausgebildet worden sein. Er war mütterlicherseits Nasrallahs Cousin und laut der Zeitung «Asharq al-Awsat» der Vater des Schwiegersohns des mächtigen iranischen Generals Ghassem Soleimani, der 2020 im Irak durch einen US-Drohnenangriff getötet wurde.

In den Zeiten, in denen Nasrallah nicht im Libanon gewesen sei, habe Safi al-Din die Funktion des Generalsekretärs übernommen, teilte Israels Militär mit. Er habe Terroranschläge gegen Israel angeleitet. Die USA und Saudi-Arabien erklärten ihn 2017 zum Terroristen. Sie machen ihn unter anderem für ein Selbstmordattentat auf das Hauptquartier der US-Marineinfanterie in Beirut verantwortlich, bei dem 1983 insgesamt 241 US-Soldaten getötet wurden.

Israel zeigt Entschlossenheit, sich zu verteidigen

Israel zeigt sich fest entschlossen, sich gegen seine Feinde zu verteidigen. Nachdem Anfang Oktober die Revolutionsgarden, Irans Elitestreitmacht, rund 200 ballistische Raketen auf den jüdischen Staat abgefeuert hatten, kündigte Israel Vergeltung an. Offen ist, wann und wie Israel gegen den Iran zurückschlagen wird. Nach der Veröffentlichung von US-Geheimdienstinformationen über Israels Vergeltungspläne ermittelt die US-Bundespolizei FBI. Die USA sind der wichtigste Verbündete Israels.

Quelle: dpa