Beinahe wäre es nicht dazu gekommen, dass The Cure noch einmal ein Album veröffentlichen. Frontmann Robert Smith spielte nach einem Konzert im Londoner Hyde Park 2018 mit dem Gedanken, die Band aufzulösen. «Ich hatte das nicht geplant, aber ich hatte so ein heimliches Gefühl, dass es das gewesen sein könnte», verriet der 65-Jährige in einem Interview auf dem bandeigenen YouTube-Kanal. Doch glücklicherweise überlegte es sich Smith anders.
Album war schon für 2019 geplant
«Es war einfach ein großartiger Tag, eine großartige Resonanz, ich habe es so sehr genossen», sagte er über den Auftritt zum 40. Bandjubiläum vor rund 60.000 Menschen, der von Fans und Medien gefeiert wurde. Eins führte zum anderen. «Plötzlich kam eine Flut von Angeboten, bei allen großen europäischen Festivals als Headliner aufzutreten», berichtete Smith. «Da dachte ich, vielleicht ist es noch nicht der richtige Zeitpunkt, um aufzuhören.»
Kurz darauf kündigte der Sänger ein neues Album für 2019 an, was er im Nachhinein bereut. «Ich hätte das nicht machen sollen, denn wir hatten gerade erst angefangen, etwas zu entwickeln.» Bei The Cure dauert es eben manchmal etwas länger. Jetzt ist endlich «Songs Of A Lost World» erschienen, das erste Studioalbum der Briten seit 16 Jahren.
Lieder über Vergänglichkeit, Tod und Trauer
Die neue Musik ist düster und melancholisch, schwermütig. Die Lyrik der acht atmosphärisch dichten Tracks, die das Album auf eine Länge von knapp 50 Minuten bringen, dreht sich um Vergänglichkeit und Tod, Trauer und Bedauern, Orientierungslosigkeit und Krieg. «Alles sollte unerbittlich düster sein», erzählte Smith. «Das war meine Idee für das Album.»
Auf dem eröffnenden «Alone» dauert es mehr als drei Minuten, bis Smith überhaupt zu singen beginnt. Der epische «Endsong», der das Album abschließt, bringt es auf stattliche 10 Minuten und 23 Sekunden – über die Hälfte davon instrumental. «It’s all gone, left alone with nothing» («Alles ist verloren. Allein gelassen mit nichts») singt Smith schließlich. Das dramatische Finale wird von Jason Coopers dramatischem Getrommel getragen.
Zeitlos gut: The Cure bleiben sich treu
Die vielleicht persönlichste Nummer ist «I Never Can Say Goodbye» mit traurigem Piano und verzerrten Gitarren. Robert Smith verarbeitet darin den unerwarteten Tod seines älteren Bruders Richard vor einigen Jahren. «Es ist sehr schwierig, diesen Song zu singen. Die Leute benutzen (für Musik) oft den Begriff „kathartisch“, aber das war er wirklich», betonte Smith. «Er hat mir ermöglicht, damit umzugehen, und ich glaube, das hat mir enorm geholfen.»
Vergleichsweise fast erhebend ist «All I Ever Am», der vielleicht am ehesten typische The-Cure-Song auf der Platte, wenn man das bei dieser Band überhaupt sagen kann. The Cure sind zeitlos. Sie existieren auf angenehme Weise in einer Art Paralleluniversum der Musikgeschichte. In über 40 Jahren haben sie sich von musikalischen Trends und wechselnden Musikgeschmäckern nicht beeinflussen lassen. The Cure klingen immer wie The Cure – unverwechselbar wie der ikonische Look ihres Frontmannes mit Eyeliner, Lippenstift und zerzaustem Haar.
Viele Songs schon von Konzerten bekannt
Die Stimmung auf «Songs Of A Lost World» war Smith zufolge ursprünglich sogar noch düsterer. Das Album sollte demnach eigentlich aus 13 Tracks bestehen. «Ein paar Leute, denen ich vertraue, haben es sich angehört und gesagt: „Die Lieder sind einzeln wirklich, wirklich gut, aber es ist zu viel. Du kannst den Leuten nicht so viel Düsternis und Schwermut zumuten“», erzählte der Sänger schmunzelnd.
Daraufhin nahm er mehrere Lieder heraus, fügte aber auch welche hinzu. «Das Album ist dadurch viel besser geworden, weil es jetzt ein wenig Hell und Dunkel enthält.» Tatsächlich ist «Songs Of A Lost World» ein faszinierendes Werk, das niemanden kaltlassen kann, der es mit dieser Musik hält.
Einige Songs, auch solche, die nun nicht auf dem Album sind, haben The Cure bereits bei ihren Konzerten gespielt. Das sei etwas merkwürdig, findet Smith. «Es ist ein neues Album, aber Cure-Fans kennen schon mehr als die Hälfte des Albums.»
Weitere Alben in Arbeit, aber das Ende naht
Auf das nächste Studioalbum von The Cure wird man übrigens nicht so lange warten müssen. Denn die Band hat schon 2019 so viele Songs aufgenommen, dass sie für drei Alben reichen. «Das zweite ist im Prinzip schon fertig», erzählte Robert Smith. «Das dritte wird aber etwas schwieriger, wenn wir überhaupt so weit kommen.»
Allzu viel Zeit bleibt The Cure angeblich nicht mehr. Spätestens 2029 will Robert Smith nämlich wirklich aufhören. «2029 werde ich 70 Jahre alt», erklärte er. «Und es markiert das 50. Jubiläum des ersten Cure-Albums («Three Imaginary Boys» von 1979), dann reicht es. Dann war es das wirklich. Wenn ich es bis dahin schaffe, dann ist wirklich Schluss.»
Die Veröffentlichung von «Songs Of A Lost World» feiern The Cure übrigens mit einem Clubkonzert in London, das als Live-Stream auf ihrem YouTube-Kanal übertragen wird. Ab dem kommenden Jahr wird die Band aus Crawley, West Sussex, wieder ausgiebig auf Tournee gehen und das – so deutete Robert Smith es an – durchgehend bis zu ihrem Ende.
Quelle: dpa