Volker Kutscher plant keine neue Romanreihe mit seinem Helden Gereon Rath., © Oliver Berg/dpa

Abschied für immer – Kommissar Rath kommt nicht wieder

Es hat in der Literaturgeschichte Schriftsteller gegeben, die nach der Beendigung einer Romanreihe an Leib und Seele krank wurden – Volker Kutscher dagegen wirkt erleichtert. Der Verfasser der Gereon-Rath-Reihe – Vorlage für die Fernsehserie «Babylon Berlin» – ist zwar sowieso ein zugänglicher Zeitgenosse, aber an diesem Nachmittag wirkt er beim Gespräch in einem Kölner Café noch eine Spur aufgeräumter als sonst. «Ja, ich empfinde Erleichterung», sagt der 61 Jahre alte Autor der Deutschen Presse-Agentur. Soeben hat er den zehnten und letzten Band der Krimireihe herausgebracht.

Anfangs dachte er: «Das will keiner lesen»

Etwa 20 Jahre hat er sich ununterbrochen mit Kommissar Gereon Rath und dem Berlin der 20er und 30er Jahre beschäftigt. «2004 habe ich mit dem Schreiben begonnen», erinnert er sich. Wegen des Romanprojekts hatte er damals seine Redakteursstelle bei einer Tageszeitung gekündigt. 

Der erste Band der Reihe, «Der nasse Fisch», war schon im darauffolgenden Frühjahr fertiggestellt, doch die Suche nach einem Verlag verlief zunächst erfolglos. Eineinhalb Jahre kassierte er Absagen. «Das war die Zeit, wo ich dachte: War vielleicht doch die falsche Entscheidung, das will keiner lesen. Aber dann ist es doch anders gelaufen.» Seine Figuren sind heute international bekannt. 

Demnächst soll noch ein Buch mit Kurzgeschichten aus dem Gereon-Rath-Universum erscheinen und zudem ein dritter Band in einer illustrierten Reihe in Zusammenarbeit mit der Zeichnerin Kat Menschik, auch da geht es um den Kölner Ermittler, den es in die Hauptstadt verschlagen hat. Aber das ist Beiwerk, die eigentliche Geschichte ist auserzählt. 

«Ich habe mit dem Jahr 1938 auch den historischen Punkt erreicht, an dem ich landen wollte», sagt Kutscher. «Es ist ein passendes Ende, ein bewusst offenes auch, bei dem man den Buchdeckel zuklappen, aber sich auch fragen kann: Was wird denn jetzt wohl aus dieser oder jener Figur? Man kann das weiterspinnen. Aber das muss man jetzt eben selber machen.» Der Autor selbst hat Gereon Rath sozusagen in die Freiheit entlassen.

Die Handlung verfolgte ihn bis in den Schlaf

Wie wird das Leben ohne ihn sein? Noch plagen den Autor keine Verlustgefühle, noch überwiegen Zufriedenheit und Freude darüber, dass er die Sache zum Abschluss gebracht hat. Während des Schreibens haben ihn knifflige Handlungsfragen manchmal bis in den Schlaf verfolgt. Der Prozess ist für ihn immer mit Unwägbarkeiten verbunden, weil er seine Geschichten nicht nach einem vorab konzipierten Gerüst erzählt, sondern sich von den Figuren leiten lässt, sodass er mitunter selbst davon überrascht wird, wohin ihn das führt. 

In zwei, drei Jahren möchte er sich einen völlig neuen Romanstoff vornehmen. «Was das sein wird, weiß ich noch nicht. Ich werde mal in den Ordner hineinschauen, in dem ich 20 Jahre lang alle Ideen geparkt habe. Da wird sicher vieles dabei sein, wo ich denke „Ach nee, da hab‘ ich jetzt gar keine Lust drauf“. Aber irgendetwas, das mich anspricht, wird sich finden.» Das muss kein historischer Stoff sein, auch wenn ihn andere Epochen wie zum Beispiel das 18. Jahrhundert ebenfalls interessieren.

Aufstieg der Nazis – plötzlich sehr aktuell

Im Übrigen hatte auch die Gereon-Rath-Reihe für ihn immer einen aktuellen Bezug: «Natürlich wollte ich zum einen durch die Fiktion versuchen, nachzuempfinden, wie das denn damals war, als Deutschland von einer Demokratie zur Diktatur wurde. Zum anderen wollte ich aber auch dazu beitragen, unsere Sensibilität für politisch gefährliche Entwicklungen zu schärfen. Dass das alles so schnell wieder so akut werden könnte, mit einer neuen Partei, die in Teilen rechtsextremistisch, faschistisch ist, das hätte ich nie gedacht. Und das schockiert mich auch.»

Wobei es ihm immer wichtig war zu zeigen: Die Zukunft ist offen. «Es war Anfang der 1930er Jahre kein unvermeidliches Schicksal, dass die Weimarer Republik zu Grabe getragen wurden. Die Menschen haben es selbst in der Hand, damals wie heute.»

Quelle: dpa