Im Bundestag scheitert die AfD seit Jahren mit der Forderung, einen Vizepräsidenten im Bundestag zu stellen. Immer wieder findet sich keine Mehrheit für die aufgestellten Kandidaten. Das Bundesverfassungsgericht hat 2022 entschieden, dass die Partei keinen Anspruch auf einen der Posten hat. In Nordrhein-Westfalen gibt es auch einen Besetzungsstreit. Hier berät jetzt das Oberverwaltungsgericht in mündlicher Verhandlung (11.11.), wie es mit der Nachbesetzung von Ausschussmitgliedern in der Landschaftsversammlung Rheinland ausschaut.
Um diese Frage war im Spätsommer und Herbst 2022 ein Streit zwischen der AfD, den anderen Parteien und der Direktorin des Landschaftsverbandes Rheinland ausgebrochen. Der Verband betreibt für die Kommunen Krankenhäuser, Psychiatrien, das Landesjugendamt, Museen und kümmert sich um Menschen mit Behinderung. Die Landschaftsversammlung ist das Parlament, genannt «Rheinischer Rat», das über die Arbeit und den Einsatz der finanziellen Mittel entscheidet.
Die Mitglieder werden von den Kreistagen und Räten der kreisfreien Städte gewählt. In der aktuellen Versammlung (2020-2025) stellt die AfD 6 von 126 Mitgliedern.
Die AfD hatte im September 2022 die Nachbesetzung mehrerer Ausschüsse beantragt, da zuvor mehrere Mitglieder freiwillig ausgeschieden waren. Betroffen waren unter anderen der Bau- und Vergabeausschuss, der Kulturausschuss und der Finanz- und Wirtschaftsausschuss. Dabei stimmte die Landschaftsversammlung nicht über einzelne Kandidaten ab, sondern im Ganzen und lehnte die Nachbesetzung ab.
Pflicht zur Nachbesetzung
Es folgten Briefe an die Direktorin des Landschaftsverbandes. Die schritt am 7. Oktober 2022 ein und verwies auf das Landesrecht. Demnach sei der «Rheinische Rat» verpflichtet, den Nachbesetzungen zuzustimmen. In einer Sondersitzung am 9. November aber gelang dies erneut nicht. Jetzt kam das zuständige Ministerium ins Spiel. Das verfügte, dass die Landschaftsversammlung verpflichtet sei, die Nachfolger und Nachfolgerinnen zu wählen.
Die unbegründete Ablehnung verstoße gegen das Proportionalitäts- und Spiegelbildlichkkeitsprinzip, so das Land. Sprich: Die AfD muss in den Ausschüssen ebenso vertreten sein, wie sie Sitze in der Landschaftsversammlung hat. Damit sei zwar die Wahlfreiheit und Mandatsfreiheit der Abgeordneten eingeschränkt, argumentierte die Fachaufsicht im Ministerium. Aber die Abgeordneten hätten sich enthalten können. Die Pflicht zur Wahl ergebe sich aus dem Landesrecht.
Weil es dennoch zu keiner Bestätigung der Nachrücker kam, klagte die AfD. Vor dem Verwaltungsgericht Köln bekam die AfD in der ersten Instanz Recht. Die Ablehnung der Nachrücker sei rechtswidrig gewesen. Die Behörde hätte zum Minderheitenschutz einschreiten müssen. Wie das Problem zu lösen ist, blieb allerdings auch vor dem Verwaltungsgericht Köln vage. Die Richter entschieden, dass die Landschaftsversammlung hätte sicherstellen müssen, dass das Recht der Kläger auf Chancengleichheit nicht beeinträchtigt wird.
Gericht forderte Verständigungsverfahren
Dazu hätte es verfahrensmäßige Vorkehrungen etwa per formellen oder informellen Verständigungsverfahrens bedurft, sagte das Verwaltungsgericht Köln in seiner Entscheidung vom 16. Juni 2023. «An einem solchen Verständigungsverfahren fehlte es», heißt es in der Urteilsbegründung.
Quelle: dpa