Auch die CDU in Nordrhein-Westfalen setzt im Bundestagswahlkampf voll auf Bundesparteichef Friedrich Merz. Bei einer Landesvertreterversammlung in Essen wählten die rund 240 Delegierten den Kanzlerkandidaten der Union auf Platz 1 ihrer Landesliste – laut Partei-Angaben mit 99,6 Prozent. Von 235 gültigen Stimmen votierten demnach 234 für Merz bei einer Nein-Stimme. Enthaltungen oder ungültige Stimmen gab es nicht. Auch alle weiteren 61 Listenplätze wurden ohne Gegenkandidaturen abgesegnet.
Merz: kein später Karriere-Höhepunkt im Visier
«Ich stehe nicht vor Ihnen, um noch mal in etwas höherem Lebensalter irgendeine Karriere zu machen», sagte der 69-Jährige. «Ich stehe vor Ihnen, weil ich (…) von dieser Sorge umgetrieben bin, dass wir unseren Kindern und unseren Enkelkindern ein Land hinterlassen, in dem sie nicht nur im Wohlstand und mit sozialer Gerechtigkeit leben können, sondern vor allem in Frieden und in Freiheit.»
Vor seinem Heimatverband skizzierte Merz die wichtigsten Themen des Wahlprogramms, das die Vorstände von CDU und CSU am Dienstag in Berlin beschließen wollen und richtete scharfe Attacken gegen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD).
Top-Thema: Migration begrenzen
Nach einer möglichen Regierungsübernahme sei eine wirksame Begrenzung der illegalen und irregulären Migration die wichtigste Aufgabe – insbesondere für die Kommunen, sagte Merz. Falls er die nächste Bundesregierung anführe, werde Deutschland bei dem Thema in Europa nicht mehr hinten, sondern ganz vorne sein. «Darauf können sich die Menschen verlassen.»
Derzeit sei Dänemark dabei, eine Allianz für eine Verschärfung des Asylrechts in der Europäischen Union auf den Weg zu bringen, zu der bereits 16 Mitgliedstaaten der Europäischen Union ihre Zustimmung signalisiert hätten, sagte Merz. Deutschland sei nicht dabei.
Kritik an Scholz: «so isoliert, so gleichgültig, so desinteressiert»
Auch bei wichtigen internationalen Gesprächen – wie zuletzt am Rande der Wiedereröffnung der restaurierten Pariser Kathedrale Notre-Dame – habe der Bundeskanzler gefehlt. «Dass ein deutscher Regierungschef in der Europäischen Union so alleinsteht, so isoliert ist, so gleichgültig, so desinteressiert ist an dem, was da zurzeit auf der Welt und was da zurzeit in Europa geschieht, das muss aufhören», sagte Merz.
«Deutschland muss wieder ein verlässlicher, offener, kommunikativer und kooperativer Partner in Europa sein», unterstrich Merz. «Deutschland muss wieder bereit sein, Führungsverantwortung mit anderen zusammen in Europa zu übernehmen.»
Digitalministerium soll Deutschland modernisieren
Merz kündigte außerdem ein Digitalministerium mit umfassenden Zuständigkeiten und Kompetenzen an, falls er der nächste Kanzler werde. Kein Bundesministerium werde für diesen Bereich mehr zusätzliche Zuständigkeit bekommen.
Auch wirtschaftspolitisch sei eine Kehrtwende nötig, um den Industriestandort ebenso wie kleine und mittlere Unternehmen zu unterstützen und die Arbeitsplätze zu erhalten, sagte Merz. «Wir sind mitten in der schwersten Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten.»
Kein anderes europäisches Land stehe so schlecht da wie Deutschland. Merz bezeichnete die Bundesregierung als «Geisterfahrer in Europa». Am Ende der Ampel-Koalition werde die deutsche Industrie «mindestens 300.000, eher 400.000 Arbeitsplätze verloren haben», prognostizierte er.
Kraftwerksstrategie: erst einschalten, dann ausschalten
Darüber hinaus gab Merz vor den Delegierten Zusagen in mehreren zentralen Bereichen ab. Für die Kraftwerksstrategie gelte demnach: «Wir werden nichts mehr abschalten in Deutschland, bevor nicht die Ersatzquellen eingeschaltet sind.» Bis dahin werde es auch keinen Ausstieg mehr aus irgendeiner Energiequelle geben. Für die gesamte Infrastruktur, einschließlich des Netzausbaus, werde die Union im Falle einer Regierungsübernahme privates Kapital mobilisieren.
Er sagte außerdem zu: «Wir werden unter unserer Führung, unter meiner Führung, kein einziges Gesetz im Deutschen Bundestag mehr zur Abstimmung vorlegen, das Garantien oder neue Rechtsansprüche begründet, die die Gemeinden und die die Länder bezahlen müssen.»
Keine Rentenkürzung – «Aktivrente» als Option für die Fitten
Die Union werde die Steuer- und Rentenlast senken. Versprochen sei überdies: «Mit uns bleibt es bei der Rente mit 67! Wer etwas anderes behauptet, sagt die Unwahrheit.» Weitere Botschaft: «Für uns bleibt es dabei, dass es keine Rentenkürzungen gibt.» Daneben solle eine «Aktivrente» angeboten werden: «Wer länger arbeiten kann, bekommt in Zukunft 2.000 Euro Einkommen im Monat steuerfrei, damit er weiter (…) im Arbeitsmarkt bleiben kann.»
Auch Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) forderte eine politische Kehrtwende nach der Bundestagswahl. Zentrale Fundamente der Bundesrepublik und das Vertrauen der Menschen in Staat und Demokratie hätten Rissen bekommen, sagte er.
Wüst: Terroristen und Pädokriminelle dingfest machen
Nötig sei unter anderem eine starke Bundeswehr. Dafür müssten jedes Jahr mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts in Verteidigung investiert werden. Die Sicherheitsbehörden bräuchten zudem «Zugriff auf die Kommunikation auf den Handys von Terroristen und Kinderschändern», sagte Wüst. «Wir müssen Terroristen im Internet dingfest machen, das heißt, wir brauchen auch Verkehrsdatenspeicherung.»
Merz war bereits Ende November mit großer Mehrheit als Direktkandidat für seinen Heimatwahlkreis Hochsauerland aufgestellt worden. Den Wahlkreis hatte der in Arnsberg lebende Jurist bereits 2021 direkt geholt.
Top 10 mit gescheitertem Kanzlerkandidaten Laschet
Die NRW-CDU wählte für die Bundestagswahl eine Liste mit 62 Plätzen. Unter dem ersten zehn sind auch der ehemalige Ministerpräsident und 2021 gescheiterte Kanzlerkandidat Ex-Armin Laschet, der Generalsekretär der CDU NRW, Paul Ziemiak, sowie weitere Bundestagsabgeordnete. Dazu zählen etwa die stellvertretende Landesvorsitzende Elisabeth Winkelmeier-Becker, Ex-Bundesbildungsministerin Anja Karliczek, Günther Krings und Serap Güler.
Bei der Bundestagswahl haben die Bürgerinnen und Bürger zwei Stimmen. Mit dem ersten Kreuz entscheiden sie darüber, welche Politikerin oder welcher Politiker aus ihrem Wahlkreis direkt in den Bundestag einziehen soll. Bei der Zweitstimme geht es um die Sitzverteilung der Parteien insgesamt. Je nach Erfolg rücken die Politiker über die Landeslisten in den Bundestag ein.
Bei der Bundestagswahl 2021 zog die Liste der CDU NRW bis Platz 22 – davon wurden zehn Plätze durch Direktmandate errungen.
Quelle: dpa