Happy und angriffslustig: Lindsey Vonn., © Robert F. Bukaty/AP/dpa

Titan im Knie, Siege im Kopf: Vonns wundersames Ski-Comeback

Lindsey Vonn grinst breit, als sie ihre Kampfansage formuliert. «Mein Plan ist ganz klar, wieder dahin zu kommen, wo ich schon einmal war», sagt die 40-Jährige vor ihrer wundersamen Weltcup-Rückkehr. 2141 Tage nach ihrem bislang letzten Elite-Rennen und mit einem künstlichen Knie-Gelenk geht die einstige Speed-Queen am Wochenende in St. Moritz wieder an den Start. Für den Ski-Weltcup ist das verblüffende Comeback ein Coup – und für Vonn selbst viel mehr als ein PR-Gag oder Beschäftigungstherapie.

Dabeisein ist alles? Nicht für Vonn. «Ich bin zwar aufgeregt, wieder hier zu sein, aber ich habe definitiv Ziele und Erwartungen», unterstrich sie mit funkelnden Augen schon vor einer Woche in Beaver Creek. Klar ist: Vonn hat Podien, Siege und Medaillen im Kopf.

Rebensburg traut Vonn Großes zu

«Ich traue ihr zu, im Laufe der Saison – wenn sie ein paar Rennkilometer drin hat – wieder an der Spitze anzuklopfen», sagt Viktoria Rebensburg dazu. Die einst beste deutsche Skirennfahrerin ist jahrelang neben Vonn bei Weltcups und Großereignissen angetreten. Als Eurosport-Expertin beobachtete sie voriges Wochenende genau, wie sich Vonn als Vorläuferin bei Abfahrt und Super-G in Beaver Creek schlug. «Das hat schon richtig gut ausgesehen – und das war keine leichte Abfahrt. Sie ist auf Angriff gefahren und hatte hier und da sogar noch ein paar Reserven», erzählt Rebensburg der Deutschen Presse-Agentur.

Ein offizielles Ergebnis wurde bei Vonn dabei nicht gemessen. Berichten und handgestoppten Zeiten zufolge aber wäre sie in der Abfahrt wohl unter den Top Ten gelandet. Rebensburg glaubt deshalb an ihre einstige Ski-Rivalin. «Plätze unter den Top 5 oder auf dem Podium sind für sie also sicher drin in diesem Winter. Und wenn sie sich wirklich wieder wohlfühlt, womöglich auch Siege.»

Von Verletzungen geplagt

Und wie sich Vonn aktuell wohlfühlt. «Jeder sagt gerade: Oh mein Gott, du bist ja so glücklich», erzählte die Olympiasiegerin und Ex-Weltmeisterin und erklärte: «Ja, ich habe auch nicht 24 Stunden am Tag Schmerzen. Es ist wundervoll. Ich fühle mich stärker als in meinen Mitt- und Spätzwanzigern.»

Seit einem Kreuzbandriss 2013 habe sie fast jedes Jahr weitere Blessuren erlitten, erinnerte Vonn. «Ich habe es durch alle Verletzungen geschafft, weil ich Skifahren liebe. Keine Verletzung hat mich je zurückgehalten – bis ich letztlich gebrochen war.» Nach WM-Bronze 2019 hörte sie auf – als Olympiasiegerin 2010, zweimalige Weltmeisterin und 82-fache Weltcup-Siegerin.

Im vergangenen Februar ließ sie sich dann ein künstliches Kniegelenk einsetzen. «Ich wurde wieder zusammengesetzt», sagte sie schmunzelnd. «Ich weiß, was ich kann, wenn mein Körper mitspielt. Und dieses Titan-Teil funktioniert recht gut.»

Neureuther kann Kritik an Comeback nicht nachvollziehen

Vonn war schon immer eine extrovertierte Sportlerin – und natürlich genießt sie es, wieder im Mittelpunkt zu stehen. Dass just derzeit ihre US-Teamkollegin Mikaela Shiffrin, der größte Alpin-Star der Gegenwart, wegen einer Verletzung fehlt, rückt die Altmeisterin noch mehr in den Fokus. Kritiker werfen Vonn Geltungssucht vor und kritisierten das aufsehenerregende Comeback.

Felix Neureuther sieht das ganz anders. «Das wird jemandem, der diesem Sport so viel geschenkt hat, nicht gerecht. Es ist einzig und allein ihre Entscheidung», sagt der deutsche Weltcup-Rekordsieger der dpa und unterstreicht: «Der Skisport braucht Geschichten – und das ist eine. Freuen wir uns darauf, dass so eine Grande Dame zurückkehrt, und hoffen, dass alles gutgeht.»

Weitere Bestmarke für die Amerikanerin?

Rebensburg stimmt ihm zu. «So ein Comeback ist super für den Skisport, weil er wieder mehr Aufmerksamkeit bekommt, wieder gute und spannende Themen im Fokus stehen – das war in den letzten Jahren leider nicht immer der Fall», sagt sie. «Lindsey lockt auch sicher wieder mehr Leute vor den Fernseher.»

Als Vonn – damals noch als Lindsey Kildow – im November 2000 ihr Weltcup-Debüt bei einem Slalom in Park City gab, waren einige ihrer künftigen Gegnerinnen noch gar nicht geboren – darunter die Deutsche Emma Aicher.

Im Weltcup gab es übrigens noch nie eine Frau, die älter als 34 Jahre war und auf das Podium raste. Winkt Vonn da eine Bestmarke? «Ich habe nie aufgehört, an mich zu glauben. Das habe ich mein ganzes Leben lang nicht», sagte sie. «Und das werde ich auch jetzt nicht.»

Quelle: dpa